Vielleicht denkt die eine oder der andere, dass es hier ja doch recht politisch zugeht (oder gar beim InstaKram von dem ich mich doch eigentlich so gerne verabschieden würde). Vielleicht liest du das gerade nicht, weil du garnicht mehr meine Freund*in, Follower*in bist. Naja, den Blog liest ja eh keine*r und auf deutsch schon garnicht. Egal, ich mach jetzt mal meinen Punkt.
Meine Mama meint übrigens so nen Kopf macht sich kaum jemand den sie kennt. Was kennt sie denn für Leute? 😛
Und selbst ich selbst denke, dass ich durchaus zu den Informierteren, Engagierteren zähle. Nicht ganz krass und so, aber schon gut.
Soweit die Bestandsaufnahme solange das Ärschle gemütlich in Happyland geparkt ist.
Happyland kommt übrigens von Tupoka Ogette, von der es allerhand zu lernen gibt z.B. das Buch “Exit Racism – Rassismus kritisch denken lernen” Steht hier gelesen im Regal, kann ich daher aus Überzeugung empfehlen.
Apropos Bücher. Meine “diverse readinglist” trägt Früchte!
Ich lese also “Dschinns” von Fatma Ayemir (höre um genau zu sein – mega gut gelesen von Sesede Terziyan) und irgendwas passiert, sodass ich beim Wutzrock dem Beitrag über das Thema Verschwinden lassen von Menschen besser zuhöre. Hier und da dringen Dinge tiefer und dann finde ich mich auf dem Fahrrad an nem regnerischen Tag wieder, um zum iranischen Konsulat zu fahren. Denn nicht nur (nur?!? reicht doch dicke, wie so vieles) Zhina Mahsa Amini ist tod, weil ihre Hijab laut Sittenpolizei nicht richtig (!?!) saß, nein, es wurden auch zwei lesbische Frauen in Irak zum Tode verurteilt.
Queer Amnesty sagt bei ihrem Redebeitrag, dass bereits 250 Menschen im Iran in diesem Jahr hingerichtet wurden und die Grünen Politikerin Maryam Blumenthal die in Theran geboren ist, ist heute auch da und sagt (auf deutsch und Farsi) auch sie ist aus Angst (Furcht wohl eher wie man an den vorherigen Bespielen sieht) schon viele Jahre nicht mehr im Iran gewesen.
Ich war mal in Brunei. Auch ich hatte da Angst, dass ich was Falsches mache. Es war mir noch ganz klar was dieses Falsch sein könnte, aber nach den Angaben des auswärtigen Amts (Kapitel Besondere Verhaltenshinweise und rechtliche Besonderheiten) war mir klar genug, dass mein “ich sein” nicht gern gesehen ist. Auch in Dubai war mir zumindest mulmig.
Und da stehe ich nun.
Es regnet gerade nicht.
Eine junge Frau filmt die Redner*innen und weint.
Ein alter Mann mit Schal um den Kopf filmt auch.
Die Polizei ist reichlich vertreten aber auf der anderen Straßenseite vor der Botschaft.
Es wird nachher noch unangenehm werden, Maryam Blumenthal hilft, schlichtet – spricht in zwei Sprachen.
Kein Ahnung, ob ich die Sachen auf Farsi richtig ausspreche die wir so in Richtung iranischer Botschaft brüllen, aber ist ja auch egal. “Weg! Weg! Weg! Mullah muss weg!” geht schon besser.
Ich bin heute alleine hier und doch Teil des Ganzen.
Das “wir” an diesem Tag ist durch die Idee vereint, dass Menschen lieben dürfen wen sie wollen und dass Menschen, Frauen! mit ihrem Kopf machen dürfen was sie wollen.
Für mich war das persönlich alles nie wirklich eine Frage, auch wenn meine oben bereits erwähnt Mama oft und viel an meiner Frisur kritisiert, war die größte Bedrohung doch eher, dass wir uns dann streiten.
Klar wusste ich, dass es nicht überall so ist, und klar fand ich das schon immer so schlimm und klar war ich immer gerne bereit dafür zu demonstrieren? Naja… Es kommt ja meisten was dazwischen.
Aber heute stehe ich hier und es ist bedrückend echt. Eine von uns ist gesund aus dem Haus und kam nie mehr zurück, zwei andere sollen hingerichtet werden. Die Cousinen, Tanten, Onkel, Neffen, Familienmitglieder von Menschen die wenige Meter neben mir stehen sind auf der Straße oder zuhause oder im Gefängnis oder kamen nicht mehr nach Hause oder sind auf der Flucht. Wer weiß. Sie alle sind hier mit mir.
Der Iran ist villeicht für mich weit weg. Italien nicht. Die AfD nicht.
Für viele um mich herum ist es schon immer echt, schon immer nah.
Ich habe erst vor Kurzem die Scheuklappen meiner white priviledges abgelegt und bin aus Happyland gekommen.
Alles wird echter, schlimmer, blutiger, wichtiger, greifbarer. Aber auch wir, die wir hier unter dem grauen Himmel stehen, weinen und lachen, schreien und schweigen werden echter.
Das ist gut, denn so schürfe ich mir bei dem Fall aus Happyland die Knie auf, aber ich habe nichts meiner Kraft eingebüßt.
Frauen. Leben. Freiheit
Frauen. Lieben. Freiheit.
Auf dem Heimweg sehe ich die verschiedenen Teilnehmenden die heute neben mir standen und für das Selbe aufstanden vor mir und stelle fest, dass meine innere Rassistin, hätte ich ihr freien Lauf gelassen ganz viele von ihnen im ersten Moment in Klischee Schubladen weggesperrt hätte. Ich habe die angelernte Rassistin soweit im Griff, dass ich mit jeder und jedem von ihnen geredet hätte und offen geblieben wäre, aber die kurzen Klischeeinordnung laufen dabei auch vor meinem Auge ab und ich schäme mich dafür. Naja immerhin bin ich mir eines Teils dieser Automatismen bewusst und halte sie nicht für richtig nur weil sie direkt und ungefragt aufpoppen.
Die innere Rassistin ist antrainiert und Tage wie heute lassen sie schrumpfen und mein Herz größer werden.
Ich bin nicht alleine!
Ihr seid nicht alleine!
Heute habe ich aber mal wieder gelernt, dass ich nichts weiss über die Menschen und gut beraten bin optimistisch zu sein.
Ich habe auch wieder gelernt, dass die die mir von rechts gerne als meine Feinde verkauft werden sollen
gut und gerne an meiner Seite stehen
und mich besser verstehen
als die die mir ähnlich sehen.
Das war heute nichts mit auf den Punkt kommen, ist aber auch egal hat immerhin mit nem Reim geendet.
Vielleicht ist das der Punkt. Ich kann eh nicht alles wissen.
Wenn ich damit klar komme, macht es mir auch nichts mehr aus, dass ich Menschen eben erst kennen lernen muss, um sie einschätzen zu können.
Achja: Samstag 16:00 Hachmannplatz, Hamburg
Sehen wir uns?
Wie ging es dir? Wie geht es dir heute? Was klappt, was klappt nicht? Schreib mir!