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Für unsere Kinder – oder doch nicht?

Drawing of a group of kids playing football in a fire - created with midjourney

„Der Text hat schon ’ne Weile in mir gegart.“ Hatte ich am 14.11.22 in meinem ersten Draft des Textes geschrieben. Die von mir außerordentlich geschätzte Veronika von Quercustexte hatte mich mit ihrem mittlerweile gar nicht mehr so aktuellen Artikel zu Klimaeltern wieder daran erinnert. Scheinbar ist es heute so weit, dass ich den Text in eine Form bringe, in der ich ihn das erste Mal poste.
Bewusst wurde mir das Thema das erste Mal als Christian Stöcker sich in seiner Spiegelkolumne neben der überaus gerechtfertigten Kritik an der Klimapolitik unter Merkel den Seitenhieb nicht verkneifen konnte, dass sie ja nun auch keine Kinder hat. (zumindest erinnere ich das so)
Das hat mich unerwartet getroffen. Bin ich jetzt direkt ein egoistisches Klimaärschle*, das wichtige Dinge gar nicht verstehen kann, nur, weil ich keine eigenen Kinder habe? Bzw. haben Klimaeltern die Sorge gepachtet?
Ja, klar, das war jetzt die erste und zugegeben blöde Kurzschluss Reaktion und ich will das mal genauer beleuchten.
Gerade der Text von Veronika soll dadurch nicht relativiert, sondern ergänzt werden.

Ich habe also keine leiblichen Kinder** UND ich bin durchaus engagiert im Bereich Soziale- und Klima-Gerechtigkeit.

Wieso eigentlich? Könnte mir ja egal sein. Ich kann mich mit etwas Egoismus bestimmt noch ganz gut durch wieseln. Wobei bis zu 40 Jahre schon allerhand Ungemach bergen können. Und ich befürchte, dass der oder die eine oder andere genau das macht – bewusst oder unbewusst – mit oder ohne Kinder.
Wieso also der Stress? Wie die Texte hier erahnen lassen ist das ganze Engagieren und Demonstrieren selten besser als nett mit ‘nem Spaghettieis im Café zu sitzen, oder vielleicht doch? Na ja, zumindest ist es seltenst die verlockendere Alternative, weil es nie die einfachere Entscheidung ist und sich Entschuldigungen geradezu aufdrängen.

Also nochmal. Wieso jetzt also sorgen, demonstrieren, informieren, lernen, ändern, sich verändern und vor allem immer wieder mit der Erkenntnis konfrontiert sein, dass man es schon lange hätte wissen und besser machen können?
Für mich kann ich das ganz schnell beantworten:
1. Weil mich das Leiden der Menschen wahnsinnig belastet, es macht mich wahlweise traurig oder wütend, meist beides.
2. Weil ich mich als Teil der Menschheit fühle und verstehe. Also wenn Menschen, die ich nicht kenne, die aber doch so sehr wie ich selbst sind in ihren Bedürfnissen, im Lachen und Leiden, leide ich doch auch.
Wie schnell kann ich, du sein. Die Illusion der Sicherheit ist unglaublich verlockend, aber mittlerweile sollten wir doch begriffen haben, dass es Sicherheit nicht gibt, egal wie viel wir bereit sind, dafür an Freiheit aufzugeben und das Leid anderer Menschen in Kauf nehmen. Das einzige was wir für den Umgang mit der Unsicherheit und der Veränderung haben sind wir selbst, unsere Menschlichkeit, unsere Fähigkeit zur Kooperation
Und jetzt habe ich die Wahl nichts zu tun und zu verdrängen oder eben in meinem guten Leben zu schauen, wie ich teilen und unterstützen kann. Es läuft wie so oft auf Solidarität hinaus. Solidarität mit Menschen, die ich nie kennenlernen werde, Solidarität mit Generationen von Menschen weltweit, die lange nach mir kommen.

Wer keine Kinder hat, kann sich zwischen den zwei Polen totaler Egoismus und Solidarität mit allen Menschen bewegen.

Die ganz unmittelbare Fürsorgepflicht, erzeugt eine greifbarere Verbindung zur Zukunft, ein ganz persönliches Interesse an einer guten Zukunft.
Wer Kinder hat, hat auch eine Verantwortung, wer in dieser Zukunft bestmöglich aufgestellt sein soll und das sind die eigenen Kinder. Um meine Mutter zu zitieren „Dir soll es mal besser gehen als uns.“ Das ist total nachvollziehbar und menschlich und auch erstmal kein Problem. Kann aber zum Problem werden, wenn die Kinder zum bewussten oder unbewussten Vorwand werden, nur an sich selbst und das eigene Wohlergehen zu denken. Elternschaft kann neben der unmittelbaren Sorge um die Zukunft durch die Sorge um die eigenen Kinder zur Sorge um die Welt und alle Kinder führen oder zum Egoismus, der sich nur auf die eigenen Kinder und deren Wohlergehen beziehen.

Blond, white boy with golden wings on a pedestal - created with midjourney

Wer Kinder hat, kann sich zwischen den zwei Polen totaler Egoismus zum Wohl der eigenen Kinder und Solidarität mit allen Menschen bewegen.

Wieder diese zwei Pole, zwischen denen viel möglich ist. In der Welle der Impfgegner*innen glaube ich auch noch eine extremere Variante entdeckt zu haben. Eltern, die das Wohlergehen ihrer Kinder vor sich hertragen, aber denen es letztlich kein Stück darum geht und deren Verhalten den Kindern schadet. Aber zu dieser Analyse fehlen mir Insights und um dies zu erlangen, fehlen mir die Nerven.

Worauf ich eigentlich hinaus will, ist die einfache Tatsache, dass es in Bezug auf den Umgang mit der Klimakrise einigermaßen egal ist, ob man Kinder hat oder nicht. Sondern die Frage ist für mich viel eher, wen man in die Gruppe, um die man sich sorgt und für die man bereit ist etwas zu tun, einschließt.
Will ich noch schnell den schönen Urlaub auf den Seychellen mit meinen Liebsten machen, oder fahren wir dann doch lieber mit dem Zug in den bayrischen Wald und besuchen unterwegs die Tante?
In beiden Fällen wollen wir eine gute Zeit mit unseren Liebsten verbringen, und enge persönliche Beziehungen sind einer der größten Schlüssel zum persönlichen Glück. Der Unterschied ist der nicht zuletzt vom Kapitalismus befeuerte Gedanke, dass es etwas Besonderes sein muss im Sinne von maximalem Konsum. Jetzt ist der Wunsch nach einem besonderen Erlebnis auch nicht direkt verwerflich. Schwierig daran ist, dass dieser Konsum die Zerstörung weiter anfeuert und damit die Situation, in der wir uns alle befinden, verschlimmert. Mehr Arme, die die armen Reichen bedrohen – z. B. in denen sie aus den Ländern fliehen, in denen sie keine Zukunft mehr haben. Damit trifft Trauma und Verzweiflung auf Angst und den Willen, den eigenen Reichtum und damit die Illusion von Sicherheit, mit allen Mitteln zu schützen. Und wie glücklich und frei bin ich letztlich in meiner gated Community, wenn ich ständig nach Dieben Ausschau halte?
Und an dieser Stelle ist es dann doch ganz egoistisch betrachtet das Sinnvollste für eine gute Zukunft für alle zu kämpfen, denn wenn es allen (wirklich alle! Keine Ausnahmen) gut geht, wird es mir und meinen Liebsten auch gut gehen.
Freundschaft schmeckt besser als Champagner und die Tante macht den besten Apfelkuchen.

Kids and cute little creatures of all forms and sizes cover the ground in a lush forest looking friendly and curious

* Ärschle: Wird von mir gerne als Urteil, Wertung genutzt, die zum Hinterfragen einladen, aber nicht sofort verletzend sein soll.
** Warum und wieso werde ich vielleicht mal in nem anderen Post reflektieren, tut aber hier nichts weiter zur Sache und geht ja auch keine*n was an

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