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Rumi – Das Gasthaus

Ein blaues, geschlossenes Tor mit Rosen umrankt, davor steht eine große Vase
Das Gasthaus

Das menschliche Dasein ist wie ein Gasthaus.
Jeden Morgen neue Gäste.
Freude, Depression und Niedertracht –
auch ein kurzer Moment von Achtsamkeit
kommen unverhofft zu Besuch.
Begrüße und bewirte sie alle!
Selbst wenn es eine Schar von Sorgen ist,
die gewaltsam dein Haus
seiner Möbel entledigt.
Selbst dann behandle alle Gäste ehrenvoll,
vielleicht reinigen sie dich ja
für neue Wonnen.
Dem dunklen Gedanken, der Scham, der Bosheit –
begegne ihnen lachend an der Tür
und lade sie zu dir ein.
Sei dankbar für jede und jeden
denn alle sind zu Deiner Orientierung geschickt worden
aus einer anderen Welt.

~ Rumi

Ich habe „Führung“ mit zuerst mit „Leitung“ dann mit „Orientierung“ ausgetauscht. Bei dem Wort Führung sträubt sich mir alles. Wer geführt wird, trabt blind einer vorgegebenen Richtung hinterher – naja, vielleicht mag das Wort „Führer“ auch historisch negativ belastet sein. Bei „Orientierung“ kommt es mir eher so vor, dass ich meinen Weg weitest gehend selbstständig gehe/ finde, mit Orientierungshilfen bei Bedarf.

Hier ein paar weitere Gedanken zu diesem Gedicht. Lies das bitte erst, wenn du dir deine eigenen Gedanken gemacht hast. Denn ich denke für jede und jeden kommt hier potenziell was anderes hoch.

Für mich ist der Gedanke, dass ersten jeden Tag anderes Leid und andere Freuden die Tür hereinspazieren wirklich hilfreich. Vor allem, dass die Gäste immer kommen, ob ich jetzt will oder nicht. Und wenn ich die Tür verriegle, sperre ich Freud und Leid zusammen aus. Und zusätzlich verwende ich meine ganze Kraft darauf, die Tür zuzuhalten. Ein guter Gedanke.
Wir müssen nicht blauäugig und gänzlich unvorbereitet ins Leben hinein laufen, sprich wir bauen ein Häuschen (unser Ego? Oder Sein?), aber so vieles ist unvorhersehbar und der Versuch es vorherzusehen, uns darauf vorzubereiten oder gar uns so vorzubereiten, dass wir uns der Illusion der Sicherheit hingeben könnten, lässt uns das eigene Leben verpassen – in Angst verpassen.
Egal wie dick die Mauern, egal wie sicher die Tür, wir wissen doch, dass es keine Garantie und keine Sicherheit gibt. Es gibt letztlich nur uns – uns alle – zusammen mit den Gästen.

Update 27.04.2023 Ich habe das Gedicht geschlechtsneutral formuliert, einfach weil ich mich dann wirklich mit-gemeint lese. Zudem habe ich „Leitung“ aus der vorherigen Version mit „Orientierung“ ersetzt.

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